In den letzten fünf Jahren habe ich eine Habil geschrieben und sie vor einigen Wochen eingereicht. In den letzten fünf Jahren hatte ich mehrere Inseminationen, IVF-Behandlungen und zwei Fehlgeburten. Während ersteres in meinem Umfeld allgemein bekannt ist, bleiben meine erfolglosen Versuche schwanger zu werden, weitgehend ungesehen. Dass ich nur mit sehr ausgewählten Menschen darüber spreche, ist meine Entscheidung, aber ich treffe sie auch, weil Schwangerwerden im akademischen System noch weniger Raum hat als Kinderhaben. Während wir immer mehr darüber sprechen, wie Elternschaft und Wissenschaft vereinbarer werden müssen, wie sich das akademische System nicht nur auf Singles (häufig männlich), die von einer Uni zur nächsten wechseln können, ausgelegt sein sollte, sprechen wir kaum über den Weg zum Kind. Obwohl es inzwischen immer mehr Angebote und Behandlungsmöglichkeiten bei unerfülltem Kinderwunsch gibt, begegnen wir den Themen ungewollte Kinderlosigkeit und Fehlgeburten noch immer häufig mit Sprachlosigkeit.
Oft ist dieser Weg lang, körperlich und psychisch fordernd und längst nicht immer erfolgreich. Nur werden diese Geschichten selten erzählt. Das gilt für unsere Gesellschaft insgesamt und mehr noch für das akademische System. Meist wird kinderlosen Frauen im universitären Betrieb, besonders Singles, wie selbstverständlich unterstellt, dass sie sich bewusst für die Karriere und gegen eigene Kinder entschieden hätten. Es wird nur selten die Möglichkeit in Betracht gezogen, ob sie versuchen schwanger zu werden, Fehlgeburten erlitten haben, nicht schwanger werden können oder ob sie zwar einen Kinderwunsch haben, aber nicht den*die passende*n Partner*in dafür finden und es auch nicht alleine versuchen wollen. Immer wieder stoße ich in Gesprächen auf diese impliziten Annahmen. Manchmal korrigiere ich sie, meist wechsel ich das Thema. Ich verfalle auch in Schweigen, wenn Kolleg*innen fragen, ob ich wieder gesund sei, nachdem ich eine Woche krankgeschrieben war. Was soll ich sagen? Körperlich ist es mir nach der Fehlgeburt schnell wieder gut gegangen, aber das ist nur ein Teil der Antwort, die zu komplex für ein Flurgespräch ist. Ich habe gute Gründe für mein Schweigen und gleichzeitig empfinde ich es immer wieder als unglaublich anstrengend.
Ein unerfüllter Kinderwunsch ist immer eine Belastung, egal was man beruflich macht. Parallel eine Habil (oder Diss) zu schreiben, stellt dennoch eine besondere Herausforderung dar. Zwischendurch hatte ich das Gefühl, zwei Babys bekommen zu wollen. Für beides braucht man Durchhaltevermögen, weil man ständig an die eigenen (körperlichen und psychischen) Grenzen gebracht wird. Es gab Zeiten, da habe ich das Habilschreiben dennoch als wohltuende Ablenkung empfunden, als eine Tätigkeit, die mir Sicherheit gab, weil ich trotz aller Schwierigkeiten wusste, dass ich das kann. Meine Versuche, schwanger zu werden, hingegen konfrontierten mich permanent mit meiner eigenen Machtlosigkeit. Mit schierer Willenskraft konnte ich Sätze auf das Word-Dokument zwingen, aber ich kann nicht meinen Körper dazu bringen, schwanger zu sein. Als jemand, die in einem akademischen System sozialisiert wurde, das das Narrativ pflegt, mit genügend Anstrengung sei alles zu schaffen, ist das schwer zu ertragen (auch dann, wenn man sich bewusst ist, wie falsch dieser Glaubenssatz ist).
Genauso gab es aber Phasen, in denen ich Prioritäten zwischen Habil und Kinderwunsch setzen musste, weil beides zu viel gewesen wäre – oder mein Körper das für mich tat. Gerade in den Zeiten, in denen ich den Kinderwunsch an erste Stelle gestellt habe, war dieses Nicht-Darübersprechenkönnen unglaublich belastend. Kolleg*innen konnte ich Schreibkrisen erklären, aber ich konnte nicht erklären, dass ich nicht vorankam, weil ich permanent müde von den Hormonen, den ständigen Arztterminen und der emotionalen Achterbahnfahrt war. Gleichzeitig sind diese Überlegungen ebenso Ausdruck meines eigenen, vom System genährten schlechten Gewissens, dass ich etwas anderem mehr Raum gab als der Habil. Habilschreiben und der Versuch schwanger zu werden war für mich ein ständiger Balanceakt, ein permanentes Abwägen der Prioritäten und der eigenen Ressourcen, ein Aushandlungsprozess mit mir selbst, bei dem ich meist einen Teil von mir zurückstellen musste.
Während ich immer irgendwo in mir wusste, dass ich die Habil fertig schreiben würde, weiß ich bis heute nicht, ob ich Mutter sein werde. Was bin ich also? Ich bin keine Mutter, aber ich bin auch nicht nur Wissenschaftlerin. Ich bin Wissenschaftlerin mit einem Kinderwunsch, die als solche gesehen werden möchte. Ich wünsche mir eine Wissenschaft, in der es allen möglich ist, wenn sie dies denn wollen, sich als Menschen zu zeigen und sich nicht ausschließlich über den Beruf zu definieren. Eine Wissenschaft, in der sie als solche gesehen und akzeptiert werden und sie nicht schweigen müssen, um sich selbst zu schützen. Eine Wissenschaft, in der es normal ist, dass es ein Leben jenseits des Berufes und diesr nicht als angebliche Berufung und Erfüllung verklärt wird, so dass alles andere oft als Schwäche und Karrierenachteil angesehen wird. Dann hätte auch dieses Thema vielleicht mehr Raum und der Weg wäre nicht so einsam.