Einer der ganz enormen Vorteile an der Arbeit als Wissenschaftlerin ist für mich die enorme Flexibilität, die damit einhergeht. Für meine Arbeit ist es gelinde gesagt egal, wann ich ein Manuskript schreibe, eine Studie plane, einen Datensatz auswerte, meine Vorlesungen vorbereite oder auf E-Mails antworte. Viel wichtiger dagegen ist, dass all das passiert und fristgerecht fertig ist. Meine Studierenden interessiert nicht, wann ich die Folien zuletzt angeschaut habe – ihnen ist wichtig, dass ich bei der Vorlesung gut vorbereitet wirke und Rückfragen beantworten kann. Meinen Studierenden, Doktorand:innen und Kolleg:innen ist häufig auch egal, wann ich ihre E-Mails beantworte und ob ich eine Mail an meinem Unischreibtisch, im Homeoffice oder von unterwegs verfasst habe – wichtiger ist, dass ich antworte. Meinen Arbeitstag beginne ich in der Regel morgens zwischen 7:30 Uhr und 8:00 Uhr im Zug auf dem Weg zur Arbeit – hier lese und beantworte ich Mails, begutachte Manuskripte, lese Exposès oder gehe Folien noch mal durch. Wie viel ich in 2 x 35 Minuten pendeln pro Tag schaffe, merke ich immer mal wieder in der vorlesungsfreien Zeit, während der ich verstärkt von zuhause arbeite – weil ich mir dann bewusst Zeit für z.B. Begutachtungen von Manuskripten oder zum Lesen von Artikeln nehmen muss. Bemessungsmodelle, die Arbeit lediglich an Präsenzzeiten festmachen, erlebe ich gerade in der Wissenschaft als sinnlos. Ich finde, Eltern in der Wissenschaft haben beileibe genug Probleme und sollten sich nicht zusätzlich weiter unter Druck setzen (lassen), weil sie das Gefühl haben, eine bestimmte Stundenzahl (nicht) zu erreichen. Aus meiner Erfahrung ist Wissenschaft ergebnisorientiert: Wichtig ist, dass bestimmte Aufgaben erledigt werden. Weniger wichtig ist, wann, wo und unter welchen Umständen ich diese Aufgaben erledige. Als Mutter mit drei (relativ) kleinen Kindern ist das ein wirklich enormer Vorteil, der vielen meiner Kolleg:innen häufig nicht wirklich bewusst ist – als Wissenschaftlicher:innen kennen wir oft nur die sehr flexiblen, universitären Abläufe und haben wenig bis gar keinen Kontakt mit Zeiterfassung, starren Arbeits- oder gar Schichtzeiten und Präsenzpflichten gemacht. Die Kehrseite der Medaille ist, dass Flexibilität ein gewisses Maß an Disziplin erfordert. Mit anderen Worten: Es kann auch einen Vorteil haben, wenn man sich offiziell von der Arbeit abgemeldet/ausloggt und damit in den Feierabend geht. Als Wissenschaftlerin bemerke ich immer mal wieder Tendenzen zur Selbstaufgabe und -korrumpierung an mir, weil ich meine Arbeitszeit selbst begrenzen muss und mir das nicht immer gelingt. Eine Kollegin (selbst alleinerziehende Wissenschaftlerin mit zwei Kindern) hat mir mal in einem Workshop gesagt: “Jedes ‘ja’ zu einer neuen Arbeitsaufgabe ist ein implizites ‘nein’ gegenüber deiner Familie” – die Zeit wird ja nicht mehr: Sage ich mehr Arbeitsaufgaben zu, nimmt mir das Zeit mit meiner Familie. Mir hat dieser Rat die Augen geöffnet und klar gemacht, dass ich hier selbst eine Grenze setzen und meine Familienzeit bewusst verteidigen muss. Neulich kam eine Anfrage zu einem Vortrag, aber am genannten Datum soll auch das Sommerfest im Kindergarten meiner Kinder stattfinden, was schon seit Jahresbeginn feststeht und ein wichtiges Ereignis für meine Kinder ist. Ich habe daraufhin den Vortrag ins kommende Semester verschoben – auch wenn ich natürlich lieber in diesem Semester schon die Einladung wahrgenommen hätte. Ich versuche auch, nach 18 Uhr keine Arbeitsmails mehr zu lesen oder zu schreiben und auch am Wochenende oder im Urlaub nicht zu arbeiten, weil das die Zeit ist, die mir und meiner Familie gehört. Dennoch gibt es sicher gute Gründe, weswegen es Sinn ergeben kann, von dieser Regelung abzuweichen. Übrigens schreibe ich diese Zeilen gerade im Zug, an einem Sonntag. Aber ParenThesis ist eben auch irgendwie Hobby und keine Arbeit. 😉