Teilzeitstelle

Selbstverständlich echte Teilzeit?

Professorin, zwei Kinder

75

Nach der Rückkehr aus der Elternzeit habe ich sofort wieder voll gearbeitet. Trotzdem war es mir wichtig, am Nachmittag viel Zeit mit den Kindern zu verbringen (wir hatten ohnehin auch nicht gleich eine Ganztagsbetreuung). So habe ich fast jeden Tag das Büro weit vor Ablauf der 8 Stunden verlassen und alles, was ich nicht geschafft habe, am Abend nachgeholt.

Würde ich dieses Modell zur Nachahmung empfehlen? Eher nicht – zwar war es für die Kinder und die Arbeit gut, aber es bleibt zu vieles auf der Strecke: die eigene Erholung (kann man vielleicht verkraften, wenn man jung ist, aber sollte man das?), die Partnerschaft (schwer zu verkraften und manchmal nicht wiedergutzumachen).

Was dann? Die offensichtliche Alternative wäre ein Wiedereinstieg in Teilzeit gewesen. Wohlgemerkt in echter Teilzeit, also nicht 50% auf dem Papier und 100% real, sondern eine tatsächliche Reduktion des Gehalts *und* der Arbeitsstunden auf 50%. Mir hat es damals an Mut gefehlt, aber auch an Vorstellungsvermögen, wie es aussieht, wenn man sich die Lehrstuhlaufgaben mit jemandem teilt, ob überhaupt eine Vertretung gefunden werden kann, wie das im Kollegium wirkt (und, ich gebe es ehrlich zu, ob ich das überhaupt möchte – so sehr wie ich meinen Beruf liebe).

In den Jahren seitdem hat sich viel getan. Als Leiterin einer kinderreichen Arbeitsgruppe wurden und werden verschiedenste Wünsche und Arbeitszeitmodelle an mich herangetragen. Bis heute sind in meinem Team nur wenige zu 100% beschäftigt, die anderen zwischen 50 und 90%. Wie sehr die Teilzeit als echte Teilzeit gelebt wird, ist individuell verschieden – auch wenn natürlich alle die gleiche Unterstützung erhalten. Meine Erfahrung sagt mir, dass es hilfreich für die Umsetzung echter Teilzeit ist, sich auf komplett freie Tage festzulegen, statt jeden Tag etwas kürzer zu arbeiten. Ebenfalls hilfreich sind objektive Notwendigkeiten: Wer um einen Teilzeit-Vertrag bittet, um „nebenbei“ einer weiteren Tätigkeit nachzugehen (z.B. einem zweiten Beschäftigungsverhältnis oder einer Weiterbildung), hält die Teilzeit disziplinierter ein. Vielleicht hilft es für den eigenen Mut zur echten Teilzeit, sich diese Situation vorzustellen?

Für mich als Arbeitsgruppenleitung ist jedenfalls selbstverständlich, dass ein reduziertes Gehalt mit einer reduzierten Arbeitszeit einhergeht. Und in meiner Erfahrung war es stets so, dass sich jemand im Team über den freien Stellenanteil gefreut hat und die damit verbundenen Aufgaben gern übernommen hat. Zwar gibt es dabei auch mal „Reibungsverluste“, aber am Ende ist das Team in seinen Kompetenzen breiter aufgestellt, und das kann ja nur gut sein.

Was also spricht noch gegen (echte) Teilzeit? Das reduzierte Gehalt natürlich und die damit verbundenen Einbußen bis hin zum Rentenanspruch – das ist in der Wissenschaft genau so wie in anderen Berufsfeldern, und ob man das in Kauf nehmen kann und möchte, ist eine höchst individuelle Entscheidung. Was uns jedoch von anderen Berufsfeldern unterscheidet, sind Karrierenachteile, weil die Entscheidung über den Verbleib in der Wissenschaft nach wenigen Jahren forciert wird. Dabei wird die Leistung (wie es so schön heißt, der „Output“) paradoxerweise als Menge pro Jahr berechnet, ohne die verfügbare Arbeitszeit einzubeziehen. Wenn ich in einer Berufungskommission sitze, versuche ich mich dafür stark zu machen, dass bei der Quantifizierung der wissenschaftlichen Leistung die jeweiligen Beschäftigungsanteile berücksichtigt werden (und natürlich dass nicht alles nur in quantitativen Indikatoren gemessen wird, aber das ist ein anderes Thema …). Ich würde mir wünschen, dass sich die Stellenanteile in jedem CV wiederfinden – mein Eindruck ist, dass sie oft versteckt werden, als sei man von der eigenen Teilzeit-Tätigkeit unangenehm berührt.

In der Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten für meine Team-Mitglieder ist mir selbst erst spät aufgegangen, dass es im WissZeitVG noch eine Chance für Teilzeitbeschäftigte gibt: Neben der Verlängerung der Höchstbefristungsdauer um zwei Jahre pro Kind (unabhängig davon, wie schnell und mit welchem Stellenanteil man zurückkehrt) kann aus einer Arbeitszeitreduktion um mindestens 20% für die Kinderbetreuung auch ein Anspruch auf Verlängerung des bestehenden Arbeitsvertrags um bis zu zwei Jahre entstehen. Das gilt nur für Qualifizierungsbefristungen, nicht für Drittmittelbefristungen, aber immerhin – eine Chance, die reduzierten Zeitanteile im Sinne des eigenen wissenschaftlichen Fortkommens quasi nachzuholen.

Je häufiger die echte Teilzeit durch solche Maßnahmen Unterstützung erfährt, desto alltäglicher wird sie werden und desto weniger werden künftige Generationen sich diese Selbstverständlichkeit noch erstreiten müssen. Und wer weiß, wie ich mich selbst damals entschieden hätte, wenn ich ein paar Rollenmodelle mit echter Teilzeit in meinem Umfeld gehabt hätte …

Teilen Sie Ihre Erfahrungen mit uns

Weitere Erfahrungsberichte zum Thema

Die Vier-Tage-Woche als echte Teilzeit

Ende 2020 wurde ich Vater von Zwillingen. Nach dem Ende der Elternzeit...