Krankheit, Kranksein, Kinder

Alle krank, merkt aber (fast) niemand

Vater, 1 Kind im Kita-Alter, beide Eltern berufstätig

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Anruf von der Kita um 11.43 Uhr: „Ihr Kind hat sich in der Kita nach dem Mittag übergeben. Sie müssen es sofort abholen und es darf – nach den üblichen Regeln – erst wiederkommen, wenn es mindestens 48 Stunden symptomfrei ist.“ In solchen Momenten denke ich oft als erstes (und sage es teils auch) „War das sicher mein Kind? Muss das sein? Wird doch bestimmt bald wieder gut.“ Ist ja nicht so, als hätten meine Frau und ich nicht eigentlich was zu tun. Zumindest ist die to-do-Liste lang und ich war eh schon deprimiert. Aber natürlich hat die Kita irgendwie auch recht, selbst wenn ich das immer erst ein paar Minuten später verstehe. Es ist fast so wie bei den Phasen des Todes: zunächst Verleugnung, gefolgt von Zorn, Verhandlung, Depression und schlussendlich Akzeptanz.

Und für mich war es wichtig, sich bei dem Thema Kranksein in der Tat in Akzeptanz zu üben. Viele haben es angedroht und es wurde wahr: mit Eintritt in die Kita schleppt unser Kind quasi alles mit nach Hause. Ich hatte schon Erkältungen, Bindehautentzündung, Varianten von Hand-Fuß-Mund, (Verdacht auf) Krätze, Corona und Ausprägungen von Magen-Darm. Zum Glück sind wir bisher von Läusen verschont geblieben, aber das ist sicher nur eine Frage der Zeit. Dabei ist es sogar so, dass unser Kind die Sachen fleißig an uns weiterleitet, ohne selbst länger oder stark betroffen zu sein. Meine Frau und ich scherzen immer – jedoch leider mit gewissem Ernst – dass wir im Grunde jedes Jahr von September bis März krank sind. Da blieb mir nichts anderes übrig als das Kranksein als Teil meines Zustands im Laufe des Jahres weitestgehend zu akzeptieren.

Allerdings sehe ich hier auch einen großen Vorteil des Wissenschaftssystems. Ehrlicherweise melde ich mich nur selten krank, auch wenn entweder ich oder mein Kind krank sind. Eine Krankmeldung kann, wenn der/die Arbeitgeber:in den Lohn für die Zeit nicht weiter zahlt und ich dadurch Kinderkrankengeld beantragen muss, im schlimmsten Fall mit Gehaltskürzungen verbunden sein, die ich gerne vermeiden möchte. Und das schöne ist, es merkt eh (fast) niemand, dass ich nicht arbeite. Klar, bestimmte Sachen bleiben liegen, v.a. die Lehre. Das lässt sich für uns aber oft so organisieren, dass in diesen Zeitfenstern meine Frau übernimmt. Ansonsten tauche ich vielleicht nicht in Gremien oder anderen Meetings auf, aber das ist nur selten entscheidend oder kann leicht verschoben werden. Darüber hinaus verpasse ich meines Erachtens nur selbst gesteckte Ziele. Ein Manuskript bleibt ein paar Tage länger liegen? Kein Ding. Die Folien für die nächste Veranstaltung sind erst einen Tag vor der Veranstaltung fertig? Kriegen die Studierenden auch nicht mit. Mein Review geht erst zur Deadline oder drei Tage später ein? Was auch immer. Und wenn doch mal der Schuh drückt, weil eine Deadline ansteht oder ein Meeting nicht aufgeschoben werden kann, bietet mir meine Arbeit die Flexibilität, dass ich dann halt mal abends arbeite oder mein (krankes) Kind mit in ein Online-Meeting nehme. Wie ein ehemaliger Chef mal netterweise zu mir meinte, auf meine Frage, ob ich mich krankmelden soll: „Ich gehe davon aus, dass du das irgendwann nach arbeitest.“ Das sehe ich als großen Vorteil im Vergleich zu vielen anderen Arbeitsstellen – Akzeptanz, gestützt mit großer Flexibilität.

Kurzum, ja wir sind in der Familie im Grunde alle weite Teile des Jahres krank, merkt aber (fast) niemand.

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