Wann ist es ein guter Zeitpunkt, um Kinder zu bekommen? – Ich habe schon mehrmals an Diskussionsrunden zum Thema Vereinbarkeit von Karriere und Kindern/Kinderwunsch mitgewirkt und diese Frage kommt so gut wie immer. Auf den ersten Blick finde ich die Frage nachvollziehbar und auch begründet, denn eine Familiengründung ist sehr aufwändig und mit vielen Herausforderungen verbunden. Aber je länger ich über diese Frage nachdenke, desto absurder scheint sie mir. Die Krux ist, dass sie die Entscheidung über eine Schwangerschaft der antwortenden Person überlässt anstelle der fragenden (und damit vermutlich betroffenen) Person(en). Um das zu verdeutlichen, mal ein paar mögliche Szenarien: Stellt man diese Frage Mediziner:innen, werden sie vermutlich mit Verweis auf Fruchtbarkeitsstatistiken darauf hinweisen, dass die Fertilität für Frauen bereits ab den 20ern abnimmt (für Männer übrigens auch, wobei der Abfall später einzusetzen scheint) – die Antwort wäre also: definitiv vor dem 20. Lebensjahr!
Fragt man die eigenen Eltern, werden diese vermutlich stark auf ihre eigenen Erfahrungen zurückgreifen: „Mach doch erst dein Studium zu Ende!“ könnte eine mögliche Antwort sein. Fragt man dagegen potentielle zukünftige Arbeitgeber:innen, könnten diese betonen, dass sich gerade die Zeit während des Studiums aufgrund der hohen Flexibilität besonders dazu eignet, Kinder zu bekommen – zumal diese dann auch „aus dem Gröbsten raus sind“ , wenn die Eltern dann als Arbeitnehmer:innen den Arbeitsmarkt betreten. Fragt man dagegen die Doktormutter/ den Doktorvater, wird man vielleicht ein hektisches „Bitte erst nach Ende des Drittmittelprojekts, über das du finanziert bist“ hören. Fragt man den/die Beziehungspartner:in, kriegt man womöglich ein grummeliges „Ich hätte schon vor zwei Jahren gerne angefangen, schwanger zu werden!“ zu hören. Der Punkt, den ich mit dieser Auflistung machen will, ist folgender: Macht euch klar, dass euch die Antwort, die ihr auf diese Frage erhaltet, nicht gefallen wird – weil sie nicht von euren Wünschen und Bedürfnissen geleitet ist, sondern von anderen Interessen, die nicht unbedingt eure Prioritäten abbilden. Der Zeitpunkt einer Schwangerschaft lässt sich schwer planen: Selbst wenn ihr in eurer Beziehung entscheidet, aktiv zu versuchen, schwanger zu werden, kann es sein, dass es Jahre dauert, bis sich eine Schwangerschaft einstellt – oder aber es klappt sofort, obwohl ihr es doch ruhig angehen lassen wolltet. Ich habe beides persönlich erlebt: bei unserem ersten Kind hat es quasi direkt beim ersten Versuch geklappt, während es bei Kind zwei nicht so war – dafür wurden es dann plötzlich Kind zwei und drei (nämlich Zwillinge), als es dann geklappt hat. Zu diesem Zeitpunkt war ich beruflich in mehrere große Projekte involviert und gerade dabei, mein erstes eigenes Drittmittelprojekt einzuwerben und eine nationale Konferenz zu planen.
Long story short: Wann ihr das Projekt Familienplanung beginnt, solltet ihr gemeinsam mit eurem Partner/eurer Partnerin entscheiden. Ausschließlich. Alleine. Denn für euch als Paar muss der Zeitpunkt passen (ungeplante Schwangerschaften klammere ich hier mal aus). Klar, es gibt objektive Situationen, in denen Schwangerschaft und Kinder herausfordernder oder einfacher unterzubringen sind, aber das zu antizipieren, ist schwer und mitunter auch unmöglich. Außerdem haben wir in Deutschland die komfortable Situation, dass wirklich viel für (werdende) Eltern getan wird: Es gibt Elternzeiten und Elterngeld, Kindergeld und Anspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr – dieser Standard ist weltweit, und auch im europäischen Vergleich geradezu luxuriös. Die hohe Bedeutung von Vereinbarkeitsfragen (auch angesichts des Fachkräftemangels) rückt zudem immer mehr in den Fokus von Arbeitgeber:innen, Gesetzgeber:innen, Interessenverbänden und anderen Entscheidungsträger:innen. Mein Tipp deswegen: Wenn ihr JETZT Lust auf Kinder habt, macht das so. Wenn ihr erstmal euer Studium, eure Promotion, euer Projekt, etc. beenden wollt: macht das so. Vertraut eurem Gefühl, und nicht den gut gemeinten Ratschlägen anderer (außer meinen, natürlich 😉 ).