Dual Career

Von Dual Career sind wir an Deutschlands Unis noch weit entfernt

Elter mit Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter; beide Eltern sind Wissenschaftler, eine*r in der Qualifizierungsphase, eine*r auf Lebenszeit verbeamtet; Care-Arbeit für Kinder wird 50:50 aufgeteilt.

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Die kurze Antwort zur Frage „Klappt Dual Career an Deutschlands Universitäten?“ ist meiner Erfahrung nach ganz einfach ein lautes und deutliches „Nein!“. Groß geschrieben. Mit Ausrufezeichen.

In unserer Familienkonstellation, kann man sich vorstellen, ist Dual Career eines der Hauptthemen. Wir haben beide eine Professur angestrebt (und tun das noch heute), aber natürlich kann man nicht erwarten, dass wir beide an derselben Uni, in derselben Stadt, eine Professur bekommen. Also war die Devise, die*der erste, die*der eine Professur erhält, wird Professor*in, die*der andere versucht, eine Lebenszeitstelle in der jeweiligen Stadt zu erhalten. Schließlich ist Dauerpendeln mit kleinen Kindern keine wirklich gut umsetzbare Idee. Nach einigen Jahren Berufungsverfahren und Marathon durch Vorstellungsgespräche hatte eine*r von uns nun Glück und damit, könnte man meinen, sei das Übrige ja eigentlich einfach. Aber mitnichten.

Wir haben uns im In- und Ausland beworben und hier ist der große Unterschied nach unserer Erfahrung: Wenn im Ausland eine*r von uns eine gute Aussicht auf eine zeitlich unbegrenzte Stelle hatte, haben die Universitäten alles dafür getan, für den*die Partner*in auch etwas aufzutreiben, das zumindest halbwegs angemessen ist, gemäß der Fähigkeiten und bisherigen Leistungen. Vielleicht nicht direkt eine Lebenszeitstelle, aber zumindest mit direkter und verlässlicher Aussicht darauf. Der Umgangston war nicht nur wertschätzend, es wurde sogar klar gemacht, wie leid es allen tat, kein besseres Angebot (etwa eine Doppelprofessur) zu diesem Zeitpunkt machen zu können – auch wenn das niemals die Erwartung unsererseits gewesen war. Und schließlich erlauben viele Systeme im Ausland auch In-House-Berufungen – das heißt, selbst wenn man nicht mit einer Doppelprofessur startet, kann man durchaus da enden.

In Deutschland scheint es dagegen fast unmöglich, einer Wissenschaftler*innenfamilie eine Dauerperspektive zu geben. Nicht nur fehlte in allen unseren persönlichen Auseinandersetzungen mit (verschiedenen) Unileitungen hier zunächst die tatsächliche Bereitschaft, auch nur irgendetwas anzustoßen, sondern das ganze Thema wurde von vorneherein nicht wirklich ernst genommen. Gehälter nach oben zu korrigieren in Verhandlungen? Kein Problem. Geld für Messgeräte: Gerne! Stellen für Mitarbeitende: Schwierig, aber lässt sich schon machen. Eine Stelle für die*den (mehr als qualifizierte*n) Partner*in, damit die Familie tatsächlich für lange Zeit an einem Ort bleiben kann? Damit der Universität ganz nebenbei die*der neuberufene Professor*in nicht gleich wieder abhandenkommt, da es keine langfristige Familienperspektive ohne eine Dauerstelle für die*den Partner*in geben kann? Keine Chance! Dass Stellenbesetzungen unipolitisch brisant sein können, ist natürlich klar. Aber diese Form der Inflexibilität, die Familien mit zwei voll arbeitenden, erfolgreichen Wissenschaftler*innen im Grunde eine Zukunft an der Universität unmöglich macht, ist meiner Meinung nach für einen großen Arbeitgeber in den 2020ern ein absolutes Armutszeugnis.

Mehr noch: in Berufungsverfahren wurde uns im Nachhinein zugetragen, dass alleine das ehrliche Zugeständnis unsererseits, dass Familie im Hintergrund ist und damit natürlich eine Rolle spielt, uns negativ ausgelegt wurde. (Hier gibt es mit Sicherheit auch andere, weniger negative Erfahrungen, aber alleine, dass so etwas möglich ist, erschließt sich mir nicht.)

In Verhandlungssituationen haben sich die Universitäten dabei maximal intransparent und familienfeindlich verhalten: Wir wurden schon über Monate in schwebendem Unwissen gehalten, mit schönen Aussichten bedient, die später wieder als unwahrscheinlich zurückgenommen wurden. Eine Planung, die natürlich dem Umzug einer ganzen Familie inkl. Kindergartenplätzen, Hortplätzen (beides erhält man ja häufig nur mit halb- oder ganzjährlicher Voranmeldung) etc. beinhaltet, war so nicht nur völlig unmöglich, sondern es wurde aktiv dagegen gearbeitet. Nach meiner Erfahrung wird an Deutschlands Universitäten Familie im besten Fall immer noch als reines Privatvergnügen gesehen – und die Tatsache, dass immer öfter keine Person zu Hause bleibt und einfach überallhin mitziehen kann, scheint in vielen Führungsetagen der Unis auch noch nicht angekommen. Im normalen Fall ist Familie in dieser Perspektive einfach nur ein Hindernis, was einfach traurig ist. Das heißt auch, dass die Auswirkungen von Unipolitik auf Mitarbeiter*innen und deren Familien grundsätzlich scheinbar keine große Relevanz hat.

Ob wir unter diesen Bedingungen in Deutschland weiterarbeiten werden, ist die Frage. Eigentlich mögen wir das deutsche Lehrsystem und würden gerne hier weitermachen. Aber die Unis machen uns das in unserer Konstellation fast unmöglich. Natürlich könnte es sein, dass wir ein Einzelfall sind. Aber ich kann die mir bekannten Wissenschaftler*innenpaare mit Kindern, die beide dauerhaft in der Wissenschaft weiterarbeiten können, an einer Hand abzählen. Und bräuchte dafür noch nicht mal alle Finger.

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