Ein Arbeitstag kann natürlich so aussehen: Ich bringe meine Kids in den Kindergarten bzw. in die Schule, arbeite von 8:30 bis 15:30 und hole sie dann wieder ab. Oder: mein Partner hat Kinderorga-Duty und ich kann entspannt von 9 Uhr morgens bis 18 Uhr abends im Büro meine To-Do-Listen abarbeiten.
Viele Tage sehen aber zum Beispiel so aus: Es ist 10:30 Uhr und ich arbeite seit ca. 2 Stunden. In dieser Zeit habe ich es geschafft Emails abzuarbeiten und Nachrichten von Elternbekanntschaften aus Kindergarten und Schule zu beantworten, zum Thema Geschenke für Kindergeburtstage, Abholorganisation für heute Nachmittag, Läusefälle in der Schule, hat jemand den verlorenen Schal von Lina gesehen?, Spieldate auf dem Spielplatz heute Nachmittag, …, die kontinuierlich eintrudeln.
Jetzt klingelt das Telefon und der Kindergarten erzählt mir, meine Tochter habe eine kleinen Unfall gehabt und geweint, aber es ginge ihr jetzt besser, ob ich sie abholen wolle? (Obwohl Kindergarten und Schule sowohl meine als auch die Telefonnummer meines Partners haben, werde meistens ich zuerst angerufen.) Nach einigem Hin und Her scheint es ihr so weit gut zu gehen und ich beschließe, erst mal doch weiterzuarbeiten, sie aber schon um 14 Uhr statt wie geplant um 15:30 abzuholen (ihr Bruder kommt dann natürlich auch gleich mit nach Hause) und re-organisiere dann die nächsten 15 Minuten ein ursprünglich geplantes Treffen heute Nachmittag auf einen anderen Tag. Eine Email von der Schule kommt herein, mit der Bitte Bescheid zu geben, ob wir am nächsten Elternnachmittag (Start 14 Uhr) dabei sein wollen – natürlich eine rhetorische Frage, niemand möchte das einzige Kind sein, dessen Eltern nicht beim Nachmittag dabei sind. Ich leite die Nachricht zur Beantwortung an meinen Partner weiter, da auch auf den Emaillisten meistens meine Emailadresse eingetragen wurde, aber nicht seine, obwohl wir beide wiederholt angegeben hatten.
Es ist mittlerweile 11 Uhr und der Arbeitstag hat sich also spontan auf maximal 3 weitere Stunden verkürzt, der Weg zum Kindergarten nicht eingerechnet. Also wird das Mittagessen mit den Kolleg*innen (mal wieder) spontan abgesagt und stattdessen die To-Do-Liste scharf priorisiert: Paper und Anträge, die geschrieben werden wollen, werden (mal wieder) auf die lange Bank geschoben und stattdessen dringende Betreuungsaufgaben, Lehrvorbereitungen, Verwaltungsorganisation und Projekte mit Kooperationspartnern (die eh schon viel zu lange auf Antwort warten) nach vorne gepackt. Dazwischen spuken in meinem Kopf die Fragen: Hätte ich meine Tochter doch gleich abholen sollen? Oder hätte ich sie einfach bis 15:30 wie geplant im Kindergarten lassen sollen? Ich versuche solche Gedanken mit dem Prädikat „Entscheidung getroffen“ abzustempeln und mich davon nicht ablenken zu lassen, was halbwegs gut gelingt. Um 14 Uhr habe ich abgearbeitet was geht und meine To-Do-Liste für morgen dabei beinahe verdoppelt; um 14:10 hole ich zwei putzmuntere Kinder vom Kindergarten ab und meine Tochter zeigt mir stolz ihre (kleinere) Kriegswunde, während ihr Bruder gleichzeitig merkt, dass man mit herumliegenden Steinchen besonders weit werfen kann. Sogar bis zum Auto, was zum Glück nur einen kleinen Lackschaden hinterlässt. Alles in allem kein schlechter Tag!