Arbeitsalltag mit Kindern

Akzeptieren, dass nicht alles perfekt sein muss

Vater; 2 Kinder

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Vor der Geburt unserer ersten Tochter haben meine Frau und ich jeweils 100% gearbeitet. An den meisten Wochentagen habe ich ca. 9-10 Stunden gearbeitet. Meist war es so, dass ich bis zum späten Nachmittag alle administrativen Dinge, Lehraufgaben, Verwaltungstätigkeiten etc. erledigen konnte. Danach habe ich mir meist noch 2-3 Stunden Zeit für Forschung genommen und intensiv an Manuskripten geschrieben. Anschließend war ich entweder noch beim Sport oder habe mit meiner Frau oder Freunden einen schönen Abend verbracht.

Seit der Geburt unserer ersten Tochter hat sich dieser Tagesablauf geändert. Meine Frau arbeitet knappe 90% und ich versuche irgendwie auf 40 Stunden pro Woche zu kommen, was häufig nicht gelingt. Entgegen unserer früheren Gewohnheiten stehen wir nun viel früher auf. Frühstück für alle zu machen, die Kleinen anziehen, Diskussionen darüber führen, welches Kleidungsstück heute angezogen werden soll, Brote für die Kita schmieren und Zähneputzen dauert einfach seine Zeit. Zwischen 08:00 und 08:30 bringe ich unsere Tochter zur Kita. Danach beginnt mein Arbeitsalltag mit einem Kaffee, der nach der morgendlichen Routine sehr gut tut.

Zwei Tage die Woche, hole ich unsere Tochter zwischen 14:30 und 15:00 Uhr von der Kita ab. An den anderen Tagen bin ich meist zum Abendessen wieder zu Hause. Verglichen mit der Zeit vor der Geburt unserer Tochter verbringe ich entsprechend weniger Zeit im Büro. Meist schaffe ich es, aktuelle Anfragen, Lehrtätigkeiten ,und Verwaltungsaufgaben termingerecht zu erledigen. Leider bleibt danach aber kaum noch Zeit für Forschung. Damit dies dennoch gelingt, habe ich begonnen, an vielen Stellen Abstriche zu machen. So beantworte ich viele E-Mails mittlerweile nur noch verzögert oder gar nicht, überfliege Dokumente für Sitzungen nur noch oder lese sie erst gar nicht und lehne mehr Anfragen (wie z. B. für Reviews) ab. Auch bei meiner eigenen Forschung habe ich gemerkt, dass ich nachlässiger geworden bin. Beispielsweise lese ich geschriebene Manuskripte weniger sorgfältig Korrektur, wodurch sich Flüchtigkeitsfehler einschleichen, die mir vor ein paar Jahren noch nicht unterlaufen wären.

Eine weitere Strategie, um das Produktivitätsniveau von früher zu erreichen, ist, abends nochmals 1-3 Stunden zu arbeiten. Dies nehme ich allerdings als sehr unangenehm wahr. Bis unsere Kinder schlafen ist es ca. 20:30. Danach räumen wir noch ein wenig auf, machen den Abwasch und erledigen andere Dinge im Haushalt. Die Motivation, sich danach nochmals an die Arbeit zu setzen, ist dann meist sehr gering. Viel lieber würde ich Zeit mit meiner Frau verbringen oder Sport machen. Da die Effektivität bei mir um diese Uhrzeit auch langsam aber sicher flöten geht, versuche ich die Abende, an denen ich arbeite, so gut es geht zu minimieren. Häufig stehen aber wichtige Dinge und Deadlines an, wodurch ich um eine Abendschicht nicht rumkomme.

Es lässt sich also sagen, dass mir der Arbeitsalltag nach der Geburt unserer Kinder etwas gehetzter vorkommt. Häufig habe ich das Gefühl, dass ich hauptsächlich E-Mails beantworte und irgendwelchen dringenden Dingen hinterher renne, wodurch ich weniger Zeit für Forschung habe. Dadurch habe ich aber auch gelernt, dass nicht alle Anfragen dringend sind und ich nicht zu allen Themen etwas Qualifiziertes beitragen muss. Momentan versuche ich vermehrt zu akzeptieren, dass ich nicht mehr das gleiche Pensum wie früher erledigen kann. Das gelingt nicht immer, hilft mir aber den wahrgenommenen Stress zu reduzieren.

Durch die Umbewertung von Prioritäten, effektiveres Arbeiten und flexiblere Arbeitszeiten schaffe ich es, den Arbeitsalltag gut zu bewältigen. Dies gilt allerdings nur für Wochen, in denen die Betreuung unserer Tochter gewährleistet werden kann. Leider kommt es aber regelmäßig vor, dass unsere Kinder nicht zur Kita gehen können. Dies kann unterschiedliche Gründe haben. So kann es sein, dass entweder unsere Kinder, die Betreuer:innen, oder die eigenen Kinder der Betreuer:innen krank sind. In all diesen Fällen bleibt entweder meine Frau oder ich zu Hause. Ein unangenehmer Nebeneffekt davon ist, dass sich alle nacheinander anstecken, wodurch wir über einen längeren Zeitraum Schwierigkeiten haben, Arbeit und Betreuung unter einen Hut zu bekommen. 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es mir immer besser gelingt, den Arbeitsalltag mit Kindern so zu bewerkstelligen, dass ich meinen Pflichten gerecht werde. Dies funktioniert v.a. dann, wenn die Betreuung unserer Kinder gewährleistet ist und ich akzeptiere, dass es okay ist, hier und da Abstriche zu machen.

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