Es gibt ein sehr dominantes Narrativ zu Kindern und wissenschaftlicher Karriere. Das lautet, dass ein akademischer Job einen mit Haut und Haaren will, dass man niemals weniger als 60 Stunden pro Woche einplanen dürfe und Kinder entsprechend nur drin sind, wenn man eine:n Partner:in hat, der (oder im Zweifel häufiger: die) das für einen wuppt. Dieses Narrativ und die Lust, mit der es wiedergekäut wird, halte ich für schädlich. Diese toxische normative Vorstellung von entgrenzten Arbeitszeiten und Unvereinbarkeit mit Familie schadet dem Feld, weil es überproportional Frauen abschreckt und so zur “leaking pipeline” beiträgt.
Ganz abgesehen davon entspricht es aber auch nicht wirklich meiner Erfahrung. Ich habe mein erstes Kind sehr früh zu Beginn der Promotion bekommen, kenne also akademisches Arbeiten ohne Kind nur von Kolleg:innen. Ein grundlegender Fehlschluss scheint mir aber zu sein, dass mehr Zeit im Büro sich linear übersetze in mehr und besseren karriereförderlichen Output. Das scheint mir doch zumindest fragwürdig. Viele der von mir beobachteten Peers mögen sehr viel mehr Zeit im Büro verbracht haben, aber vielleicht auch weniger selbige priorisiert haben. Während meiner Qualifikationsphase hieß ein 5-Stunden-Tag zu haben: ankommen, an den Rechner, schreiben. Nicht googlen, nicht Kaffee trinken, nicht ausgiebiges “Hallo”, nicht prokrastinieren, sondern: schreiben (und rechnen, auch lesen). Da ich nur den Vergleich mit kinderlosen Anderen, aber nicht mit mir selbst ohne Kinder habe, kann ich mir nicht sicher sein, würde aber mal steil behaupten: das hat mich nicht weniger produktiv, sondern eher sogar produktiver gemacht. Weil ich fokussierter war, weil ich einen “jetzt-oder-nie”-Zugang zu den häufig ungeliebten Tätigkeiten (z.B. Schreiben) entwickelt habe. Und vielleicht habe ich auch ein “good enough”-Zugang zu (in meinen Augen) weniger zentralen Aspekten meines Jobs gefunden. Es ist ja ohnehin ein Mythos, Mensch könnte in allen Bereichen – Lehre, Forschung, Reviewing, akademische Selbstverwaltung, Öffentlichkeitsarbeit, Nachwuchsförderung, etc. – seinen/ihren Maximalansprüchen genügen. Manchmal muss eben “gut genug” reichen.
Meine Kinder haben meiner Karriere also nicht geschadet. Wäre ich allerdings alleinerziehend (oder mit einer Partnerin, die selbst toxische Arbeitszeiten lebt) gewesen, wäre es schwierig geworden. Dann wäre nicht nur jeder Tag ein 5h-Tag gewesen, sondern jede Krankheit, jeder Zusatztermin wäre alleine bei mir geblieben. Und Konferenzreisen wären so nicht gegangen. Meine Partnerin und ich konnten es uns gegenseitig immer gut ermöglichen, für Tagungen ein paar Tage raus zu kommen, was unwahrscheinlich nützlich war. Meine Tagungsergebnisse mit Kindern waren nicht so, dass ich gleich viel an Networking und Kooperationsanbahnung hinbekommen hätte, wie es ohne Kinder ging.